hoch³ Visual Story
Die nächste Generation
Athene Young Investigators 2025 im Porträt

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Die nächste Generation
Athene Young Investigators 2025 im Porträt

Die Technische Universität Darmstadt hat das „Athene Young Investigator (AYI)“ Programm eingerichtet, um die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit von besonders qualifizierten Wissenschaftler:innen in früher Karrierephase zu fördern und um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe für die Berufbarkeit als Professorin bzw. Professor zu qualifizieren.
Das Programm wurde als fünfjähriges, qualitätsgesichertes Programm konzipiert, in dem die Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leiter mit bestimmten professoralen Rechten und einem eigenen Budget ausgestattet werden.
Seit der Einführung des Programms im Jahr 2017 sind 40 Early Career Researchers der TU Darmstadt als „Athene Young Investigator“ gefördert worden. Zahlreiche von ihnen sind heute als Professorinnen und Professoren an Universitäten tätig.
„Das Athene Young Investigator-Programm verfolgt ein klares strategisches Ziel der TU Darmstadt: Potenziale erkennen. Das Programm stärkt die wissenschaftliche Selbstständigkeit in einer wichtigen Karrierestufe. Durch dieses Förderinstrument erhält unsere Universität frische Perspektiven, von denen die Fachbereiche und die Studierenden gleichermaßen profitieren. Die AYI sind keine Forschenden von morgen – sie sind heute schon Wegbereiter:innen in Forschung, Lehre und xchange. Mit ihrer wissenschaftlichen Leidenschaft, ihrem Willen zur Eigenständigkeit und ihrem Mut, neue Wege zu gehen, prägen sie die Gegenwart. Wir, die TU Darmstadt, sind stolz auf die AYI, die eine großartige Bereicherung für unsere wissenschaftliche Gemeinschaft sind.“
In dieser Visual Story stellen wir drei herausragende Early Career Researchers der TU Darmstadt vor, die 2025 als neue „Athene Young Investigator“ der Universität ausgezeichnet wurden.
Zudem berichten die Athene Young Investigtors des Jahrgangs 2024, welche Bedeutung die Auszeichnung für ihre akademische Karriere hat und welche Projekte sie aktuell vorantreiben.
Im Porträt
Dr. Manisha Luthra Agnihotri
Athene Young Investigator 2025
Dr. Tao Li
Athene Young Investigator 2025
Dr. Philipp Rosendahl
Athene Young Investigator 2025
Denken in Echtzeit
Dr.-Ing. Manisha Luthra Agnihotri


Denken in Echtzeit
Dr. Manisha Luthra Agnihotri


Manisha Luthra Agnihotri möchte die nächste Generation von Stream-Processing-Systemen entwickeln – Datensysteme, die kontinuierliche Datenströme in Echtzeit mit hoher Geschwindigkeit verarbeiten. Was ihre Vision besonders macht, ist die Integration Künstlicher Intelligenz: Ihre Systeme sollen sich spontan an neue Datentypen wie Text, Bilder oder Audio sowie an dynamische Szenarien in Bereichen wie Gesundheit, Finanzen und Robotik anpassen.
Manisha Luthra Agnihotri verfolgt das Ziel, intelligente Stream-Processing-Systeme zu entwickeln, die nicht nur Zahlen, sondern auch Sprache, Bilder und akustische Signale in Echtzeit interpretieren und darauf reagieren können. Diese Systeme sollen mehr als nur schnell rechnen – sie sollen lernen, sich anpassen und kontextbezogen handeln zu können, um eine neue Generation von Anwendungen in Echtzeit zu ermöglichen.
Das ist keine einfache Aufgabe. „Streaming-Systeme kommen heute in zeitkritischen Anwendungen zum Einsatz. Doch sie sind häufig auf klassische Datenformate und feste Verarbeitungslogik beschränkt“, erklärt Luthra Agnihotri, die ursprünglich aus Indien stammt. „Ich möchte das ändern – hin zu KI-basierten Systemen, die sich automatisch an neue Modalitäten und unerwartete Ereignisse anpassen können.“
Forschung an TU Darmstadt und DFKI
Um das zu ermöglichen, entwickelt ihr Forschungsteam an der TU Darmstadt und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) eines der ersten multimodalen Stream-Processing-Systeme. Dieses System der nächsten Generation kann Live-Daten verarbeiten – etwa Text aus Patientenakten, Spracheingaben von Robotern oder Sensordaten aus autonomen Fahrzeugen – und in Echtzeit reagieren. Im Zentrum stehen große Sprachmodelle (LLMs) wie GPT, die neue Möglichkeiten eröffnen, aber auch große technische Herausforderungen mit sich bringen. „Wir müssen alles überdenken – von der Anfrageverarbeitung bis hin zur Latenzkontrolle und Zuverlässigkeit“, sagt sie.
Diese Modelle eröffnen neue Anwendungsfelder – zum Beispiel das Verstehen medizinischer Berichte, visueller Daten oder gesprochener Befehle in Echtzeit. Gleichzeitig stellen sie hohe Anforderungen an Rechenleistung und Systemdesign. „Wie halten wir die Reaktionsgeschwindigkeit trotz komplexer Modelle aufrecht? Wie stellen wir Korrektheit und Sicherheit in autonomen Szenarien sicher? Genau das sind die Fragen, die wir erforschen“, so Luthra Agnihotri.
Ihre Arbeit ist stark interdisziplinär und kollaborativ ausgerichtet. Am DFKI arbeitet sie eng mit den Professoren Jan Peters aus dem Bereich Robotik und Kristian Kersting aus dem Bereich Maschinelles Lernen zusammen. „Ihre Expertise im Bereich Entscheidungsfindung und multimodales Lernen erweitert den Kern meiner Forschung“, sagt sie. Gemeinsam erforschen sie, wie KI-Modelle Echtzeitsignale interpretieren und in robuste Handlungen für autonome Systeme übersetzen können. Ihre Forschung eröffnet neue Anwendungsfelder – etwa für medizinische Assistenzsysteme, adaptive Robotik oder Finanzanwendungen, die auf Live-Daten reagieren können.
Von Neu-Delhi nach Darmstadt
Die 34-jährige Informatikerin aus Neu-Delhi kam 2013 für ihr Masterstudium nach Darmstadt – mit mehreren internationalen Studienangeboten im Gepäck, unter anderem aus anderen europäischen Ländern und Australien. Ausschlaggebend waren für sie das akademische System in Deutschland und die Ausrichtung der TU Darmstadt.
Bereits im Studium arbeitete Luthra Agnihotri im Sonderforschungsbereich MAKI („Multi-Mechanismen-Adaption für das zukünftige Internet“) mit, wo sie sich mit verteilten Systemen und der Kombination verschiedener Datenmodalitäten befasste – ein Thema, das heute im Zentrum ihrer Forschung steht. Für ihre herausragende Masterarbeit erhielt sie den MAKI Female Student Travel Award und den MAKI Networking Award. Nach ihrem erfolgreichen Masterabschluss mit Auszeichnung entschied sie sich, in Darmstadt zu bleiben, obwohl sie Angebote aus den USA, Großbritannien und Stuttgart hatte. „Darmstadt hatte einfach das stärkste Forschungsprofil in meinen Interessensgebieten – das hat mich überzeugt.“
Ihre Promotion widmete sie dem Aufbau adaptiver Stream-Processing-Systeme und Datennetze im Rahmen des MAKI-Projekts. Schon damals entwickelte sie neue Methoden zur Integration verschiedener Datenmodalitäten – ein Thema, das mit dem Aufstieg von KI noch relevanter geworden ist. Ihre Dissertation wurde mit summa cum laude bewertet und mit dem nationalen KuVS-Preis für die beste Dissertation im Bereich Verteilte Systeme ausgezeichnet.
Heute ist Luthra Agnihotri Postdoktorandin in der Systems Group der TU Darmstadt und stellvertretende Forschungsleiterin im Bereich „Systemic AI for Decision Support“ am DFKI unter der Leitung von Professor Carsten Binnig. Die Verbindung von anwendungsnaher und grundlagenorientierter Forschung passe ideal zu ihrer Arbeitsweise: „Ich kann damit visionäre Systeme gestalten, ohne den Praxisbezug zu verlieren.“
Athene Young Investigator als Sprungbrett
Die Auszeichnung als Athene Young Investigator würdigt ihre bisherigen Erfolge – und fördert ihre nächsten Schritte. „Der Preis gibt mir die Unabhängigkeit, mutige Ideen zu verfolgen, ein eigenes Team aufzubauen, Promovierende zu betreuen und meine Forschung eigenständig voranzutreiben“, sagt sie. Zwei Doktorand:innen betreut sie bereits, eine weitere Promotion hat in diesem Jahr begonnen.
Zugleich sieht Luthra Agnihotri in der Auszeichnung eine Verantwortung: die nächste Generation zu födern – insbesondere Frauen in der Informatik. „Ich möchte zeigen, dass dieser Raum auch ihnen gehört.“
Darmstadt ist für sie längst mehr als nur ein Studienort. Kürzlich wurde sie Mutter – und schätzt die Stadt als offen, international und intellektuell lebendig. „Ich hatte andere Optionen“, sagt sie. „Aber ich habe mich bewusst entschieden zu bleiben. Darmstadt hat mir so viel gegeben – beruflich und persönlich.“
Dr. Manisha Luthra Agnihotri, Postdoktorandin in der Systems Group am Fachbereich Informatik und stellvertretende Forschungsleiterin im Bereich „Systemic AI for Decision Support“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)
Text: TU Darmstadt
Booster für den alternativen Brennstoff
Dr.-Ing. Tao Li


Wie lassen sich kohlenstofffreie chemische Brennstoffe wie Wasserstoff, Ammoniak und Metallpulver als Energieträger für eine nachhaltige Zukunft einsetzen? Vor allem auf die umweltfreundlichere, energiesparendere Nutzung von Ammoniak konzentriert sich die Forschung des neuen Athene Young Investigators Dr. Tao Li. Der Maschinenbauer am Fachgebiet Reaktive Strömungen und Messtechnik stützt sich dabei auf den Einsatz von Plasma – eine noch sehr junge Methode, um Ammoniak als alternativen Treibstoff zu gewinnen.
Den beißend riechenden Stoff kennen die meisten von Reinigungsmitteln oder Dünger. Auch der menschliche Urin kann nach Ammoniak riechen. Die chemische Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff wird vielfältig in der Industrie eingesetzt und seine Herstellung kostet bisher viel Energie. Doch lässt sich die Herstellung womöglich ressourcenschonender gestalten und das Gas als alternativer Treibstoff der Zukunft einsetzen? „Die industrielle Produktion von Ammoniak erfolgt heute hauptsächlich anhand des Haber-Bosch-Verfahrens“, erläutert Dr. Tao Li. Bei diesen Abläufen wird molekularer Stickstoff aus der Luft mit molekularem Wasserstoff in Katalysatoren kombiniert. „Dafür braucht es jedoch hohe Temperaturen von etwa 500°C und einen hohen Druck von 200 bar“, so der Maschinenbau-Ingenieur. Beides braucht viel Energie und ist teuer. Hinzu kommt der Bau großer Anlagen.
Der Athene Young Investigator verfolgt dagegen einen anderen Ansatz: die sogenannte Plasmagetriebene Katalyse-Synthese und auch Plasmagestützte Ammoniakverbrennung – eine noch junge Idee, der die Forschung erst seit rund fünf Jahren nachgeht. „Ammoniak, das aus grünem Wasserstoff hergestellt wird, bietet eine kohlenstofffreie Brennstoffalternative“, berichtet der 37-Jährige. Das Problem: Seine geringe Reaktivität schränkt bisher die praktische Nutzung ein. Tao Li hofft, anhand von Plasma diese Reaktionsfähigkeit zu erhöhen. Für die Gewinnung des Ammoniaks wird Plasma unter Hochspannung erzeugt. Es soll so als eine Art Booster dienen, um Wasserstoff und Stickstoff auch schon bei Raumtemperaturen in Ammoniak umzuwandeln. Ein ähnlicher Booster-Effekt ergibt sich bei der Verbrennung unter Plasma, wodurch die Oxidation von Ammoniak beschleunigt wird. „Meine Forschung untersucht Nicht-Gleichgewichtsplasmen zur Verbesserung der Ammoniaksynthese und -verbrennung mit minimalem Energieeinsatz. Unsere Gruppe hat Plasmareaktoren konstruiert, die die Zünd- und Verbrennungsleistung erheblich verbessern“, berichtet der AYI-Wissenschaftler.
Energieeffiziente Ammoniaksynthese
Auf diese Weise könnte der alternative Treibstoff auch bereits mit wenigen Geräten sowie erheblich günstiger und umweltschonender hergestellt werden. Ammoniak ist leicht zu verflüssigen und leichter zu transportieren als Wasserstoff und birgt auch nicht dessen Explosionsgefahr, so Tao Li. Es ließe sich gut als alternativer Treibstoff in der Industrie, für Triebwerke der Luftfahrt oder im Haushalt einsetzen, ist er überzeugt. „Brennstoffe wie Ammoniak können intermittierende erneuerbare Energien wie Sonnen- und Windenergie über lange Zeiträume speichern und sie können weltweit transportiert werden, wodurch die wichtigsten Herausforderungen der erneuerbaren Energien – Schwankungen und geografische Beschränkungen – gelöst werden. Indem sie fossile Brennstoffe in der Stromerzeugung, dem Transportwesen und der Industrieheizung ersetzen, sind diese grünen Chemikalien für eine nachhaltige und erschwingliche Dekarbonisierung von entscheidender Bedeutung“, betont er.
Tao Li erforscht dabei insbesondere die grundlegenden Energieumwandlungsmechanismen dieser Brennstoffe in thermochemischen Prozessen. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen weisen grüne Alternativen radikal andere Verbrennungseigenschaften auf – wie besagte Explosivität von Wasserstoff, geringe Reaktivität von Ammoniak oder die Feinstaubemissionen von Metallbrennstoffen. „Die Anpassung der bestehenden Infrastruktur erfordert ein gründliches Verständnis ihrer komplexen, mehrphasigen Reaktionsdynamik, bei der chemischen Kinetik, Strömungsmechanik sowie Wärme- und Stoffübertragung.“ Um diese physikalischen Zusammenhänge zu entschlüsseln, entwickelt er eine fortschrittliche Multiphysik-Laserdiagnose, die unmittelbar Messungen kritischer Parameter wie Temperatur, Spezieskonzentrationen und Partikeldynamik ermöglicht. „Diese Daten geben nicht nur Aufschluss über die zugrundeliegende Wissenschaft, sondern fließen auch direkt in die Konstruktion von Reaktoren der nächsten Generation und die Optimierung von Industrieprozessen ein“, erläutert er und ist sicher, dass seine Arbeit durch die Verknüpfung von Grundlagenforschung und technischen Anwendungen die praktische Einführung von kohlenstoffneutralen Energielösungen beschleunigen könnte.
Privileg an der TU Darmstadt zu forschen
Die TU Darmstadt biete dem nahe Peking geborenen Wissenschaftler „ein ideales Umfeld für Spitzenforschung“. Tao Li hat an der Tongji-Universität in Shanghai, einer Partner-Hochschule der TU, seinen Bachelorabschluss in Maschinenbau gemacht. Schon für das Masterstudium und später auch die Promotion entschied sich der Wissenschaftler für den Wechsel nach Deutschland und Darmstadt. Es sei ein Privileg, „in einem der weltweit führenden Labors für fortschrittliche Laserdiagnostik und Verbrennung zu forschen und mit herausragenden Forschenden an Themen von großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz zusammenzuarbeiten“, sagt er. Die AYI-Auszeichnung ist für den Familienvater „eine große Ehre und auch eine bedeutsame Bestätigung für das Potenzial meiner Forschung, nachhaltige Energieinnovationen voranzutreiben“.
Die Förderung würdige den sehr interdisziplinären Charakter seiner Forschung, die experimentelle und numerische Ansätze aus den Bereichen Verbrennungswissenschaft, Chemie und Materialwissenschaft miteinander verbindet. Der AYI helfe ihm, eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen, Doktorand:innen zu betreuen und unabhängige Forschungsrichtungen mit größerer Freiheit zu verfolgen. Das Prestige der Auszeichnung werde sicherlich bei der Suche nach neuen Kooperationen mit anderen Einrichtungen und Industriepartnern eine wichtige Rolle spielen, ist Tao Li überzeugt. Gleichzeitig hofft er, dass der Preis seinen Werdegang beschleunigt: Der junge Forscher möchte Professor werden.
Autorin: Astrid Ludwig
Herrn Rosendahls Gespür für Schnee
Dr.-Ing. Philipp Rosendahl


Eigentlich hatte Philipp Rosendahl gar keine akademische Laufbahn im Sinn. Doch dann wurde seine Begeisterung für Skitouren und die Berge zur Leidenschaft und aus seinem Promotionsthema im Maschinenbau entwickelte sich das Zentrum für Schnee- und Lawinenforschung am Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der TU. Der 35-Jährige wurde nun zum Athene Young Investigator ernannt.
Wenn der gebürtige Berliner seine Skier für die nächste Bergtour unterschnallt, dann hat er die wichtigsten Wegbegleiter immer im Gepäck: seinen Lawinen-Rucksack – ausgerüstet mit einer Art Airbag und einem Lawinenverschütteten-Suchgerät, LVS genannt oder kurz Pieps. Damit kann er Opfer eines Schneeabgangs orten oder im Notfall auch selbst geortet werden. „Für Skitourengänger sind Lawinen eine echte Gefahr“, weiß Dr. Philipp Rosendahl. Schon in seiner Freizeit hat sich der begeisterte Skifahrer intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, vor Touren stets Wetterlage und Schneeberichte studiert. Das war noch lange bevor er selbst zum passionierten Lawinenforscher wurde.
Doch wie wird aus einem promovierten Maschinenbauer ein Nivologe, ein Schneeforscher? „Das war reines Interesse“, erzählt der 35-Jährige. Rosendahl hat an der TU Darmstadt sein Bachelor- und Masterstudium absolviert und anschließend promoviert. Bei Professor Wilfried Becker forschte er zur Bruchmechanik und insbesondere zu Klebverbindungen, wie sie im Autobau zum Schutz der Insassen gerne verwendet werden, weil diese Fugen im Falle eines Aufpralls viel Bewegungsenergie absorbieren. Als Doktorand untersuchte er unter anderem das mechanische Verhalten und wie Risse entstehen. Dabei erkannte der Wintersportler, dass sich Klebefugen und Schnee-Schichten in vielerlei Hinsicht ähneln. „Eine dieser Schichten wird die schwächste sein und als erstes brechen.“ Oftmals ist es der Oberflächenreif, eine dünne, fragile Schicht aus feinen Eiskristallen, die von frisch gefallenem Neuschnee überdeckt wird. „Es sind die gleichen mathematischen und mechanischen Prinzipien wie bei einer Klebverbindung.“
Erster Kontakt zur Forschungscommunity
Wie sich diese Erkenntnis unter Umständen in der Schneeforschung und zur besseren Lawinenwarnung einsetzen lässt, damit befasste sich Rosendahl in einer von ihm betreuten Mechanik-Studienarbeit – und landete so 2018 beim International Snow Science Workshop (ISSW) in Innsbruck, einer internationalen Konferenz, die alle zwei Jahre in Europa, den USA oder Kanada stattfindet und an der Schnee- und Lawinenforscher sowie Praktiker:innen der Branche aus der ganzen Welt teilnehmen. „Dort wurde ich gleich gut aufgenommen und es gab viel Interesse an einer Zusammenarbeit“, berichtete er. Rosendahls Thema füllte eine Lücke: „Der Ingenieurs-Aspekt fehlte bisher der Community.“ Es gibt dort viele Forschende aus der Physik, Meteorologie oder den Geowissenschaften, aber eben keine Maschinenbauer:innen. Das war ein neuer Impuls von außen. Auch für den Darmstädter Ingenieur selbst. „Ich traf passionierte Outdoor-Menschen, eine kleine, herzliche Forschungsgemeinschaft ohne die sonst übliche wissenschaftliche Konkurrenz.“
Auf diese Weise erhielt er Zugang zu Datenbanken, Forschungseinrichtungen und Kollaborationen wie mit dem schweizerischen Lawinenforschungszentrum in Davos. Er lernte, kontinentalen und maritimen Schnee und seine Eigenarten zu unterscheiden. „Die Schneeforschung hat sehr viele Aspekte – von der Hydrologie bis hin zum Klimawandel und der immer aktueller werdenden Frage, was eigentlich passiert, wenn es wärmer wird?“ In Feldversuchen und im Austausch mit den Praktiker:innen erstellte er Schneeprofile, erforschte die eisigen Massen Schicht für Schicht.
Nach seiner erfolgreichen Promotion am Fachbereich Maschinenbau war für den jungen Forscher klar, dass „ich als Postdoc an der Uni bleiben wollte, was so eigentlich nie geplant war“. In Professor Jens Schneider – zu der Zeit Leiter des Instituts für Statik und Konstruktion am Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, heute Rektor der Universität Wien – fand Rosendahl einen Mitstreiter. „Er gab mir die Möglichkeit zur Schneeforschung.“
Gründung des Schnee- und Lawinenforschungszentrums
2020 entstand so an der TU Darmstadt das „Center of Snow and Avalanche Research“, das Zentrum für Schnee- und Lawinenforschung, dessen Gruppenleiter der 35-Jährige heute ist und wofür er jetzt von der TU als Athene Young Investigator ausgewählt wurde. Mit der Förderung unterstützt die Universität die akademische Karriere ihrer Nachwuchsforschenden. Die Arbeit des Zentrums ist einzigartig. Rosendahl und sein Team erstellen Rechenmodelle und erfinden Experimente anhand mathematischer, numerischer Methoden der Bruchmechanik. Im schweizerischen Lawinenforschungsinstitut Davos werden Feldversuche unternommen. „Das ergänzt sich gut.“ Mit dem technischen Knowhow aus Darmstadt entstehen zuweilen auch ganz neue Geräte wie ein mobiler Schnee-Tester, den TU-Doktorand Valentin Adam und TU-Masterstudent Luis Berger gemeinsam für den Rucksack entworfen haben. Rosendahl: „Das ist wichtig, weil der logistische Aufwand, in Schnee- und Bergregionen zu kommen, immer sehr groß ist.“ Schneeforscher zu sein, ist körperlich zehrend. „Man muss fit sein.“
Aktuell arbeiten zwei Doktoranden mit Rosendahl zusammen. Bis Ende 2025 werden weitere hinzukommen. „Es laufen viele Forschungsanträge.“ 2023 erhielt Philipp Rosendahl bereits den Dr. Hans Messer Stiftungspreis der TU für junge Forscher:innen in einer frühen Karrierephase. Die Auszeichnung nun als Athene Young Investigator freut ihn besonders: „Sie verschafft mir eine ganz neue Wahrnehmung und ein anderes Standing. Vorher war ich Postdoc, jetzt kann ich Doktoranden betreuen und nehme Aufgaben wahr wie ein Professor“ – eine große Veränderung, die ihm mehr Zugang zu Drittmitteln und auch mehr Freiheit in der Forschung verschaffe. Vielleicht kann sich der Schneeexperte dann auch den Traum erfüllen, nördlich des Polarkreises oder mal am Himalaya zu forschen.
Autorin: Astrid Ludwig
„ ... ein zentraler Meilenstein für meine wissenschaftliche Karriere“
Die Athene Young Investigator von 2024 berichten


„Die Aufnahme in das Athene Young Investigator Programm war für meine wissenschaftliche Laufbahn von großer Bedeutung, da sie mir die Möglichkeit gab, meine Unabhängigkeit zu stärken, eine eigene Forschungsagenda zu entwickeln und meine Sichtbarkeit innerhalb der Scientific Community auszubauen. Mit meinem Projekt Kontinuitäten der Amerikanisierung: Literarische Konsumkultur von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit baue ich als AYI eine Nachwuchsgruppe auf, in die auch meine Doktorandin eingebunden ist, und habe darüber hinaus das RMU-Kooperationsprojekt Die Unversöhnlichkeit der Aufklärung (zusammen mit Dr. Oliver Völker, JGU Mainz) erfolgreich eingeworben.“
Dr. Lisa Wille, Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
„Die Aufnahme in das Athene Young Investigator Programm war ein zentraler Meilenstein für meine wissenschaftliche Laufbahn. Durch die gezielte Förderung konnte ich nicht nur eigene Forschungsprojekte zu biohybriden Systemen und künstlichen Zellen aufbauen, sondern auch ein internationales Team an der Schnittstelle von Makromolekularer Chemie und Synthetischer Biologie etablieren. Als AYI habe ich Projekte zu polymerbasierten künstlichen Symbiosen, funktionalen Materialien für Umweltanwendungen und zur Entwicklung neuer Methoden für die Kontrolle mikrobieller Systeme realisieren können. Diese Aktivitäten haben meine Unabhängigkeit als Wissenschaftler gestärkt und meine Positionierung im internationalen Forschungsumfeld nachhaltig geprägt.“
Dr. Andrea Belluati, Fachbereich Chemie
„Das Athene Young Investigator-Programm bedeutet für mich die Chance, meine eigene Forschungsrichtung mit voller Leidenschaft voranzutreiben, neue wissenschaftliche Impulse zu setzen und internationale Kooperationen zu vertiefen. Besonders erfüllend ist es für mich, Verantwortung in der Betreuung von Promovierenden und Studierenden zu übernehmen und sie auf ihrem Weg zu begleiten – ein Schritt, der meine akademische Selbstständigkeit nachhaltig prägt.“
Dr.-Ing. Henning Bonart, Fachbereich Maschinenbau
„ ... eine großartige Bereicherung für unsere wissenschaftliche Gemeinschaft ...“
Überblick der Athene Young Investigators 2025-2017


Aktive Athene Young Investigator
Jahr |
AYI |
Fachbereich |
---|---|---|
2025 |
Dr.-Ing. Manisha Luthra Agnihotri |
Informatik |
2025 |
Dr.-Ing. Philipp Rosendahl |
Bau- und Umweltingenieurwissenschaften |
2025 |
Dr. Ing. Tao Li |
Maschinenbau |
2024 |
Dr. Lisa Wille |
Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften |
2024 |
Dr. Andrea Belluati |
Chemie |
2024 |
Dr.-Ing. Henning Bonart |
Maschinenbau |
2023 |
Dr. Jens Marquardt |
Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften |
2023 |
Dr. Pelin Tozman |
Material- und Geowissenschaften |
2023 |
Dr.-Ing. Alejandro Jiménez-Sáez |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2022 |
Dr.-Ing. Tobias Meuser |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2021 |
Dr. Stephan Schulz |
Bau- und Umweltingenieurwissenschaften |
2021 |
Dr. Vanessa Zeller |
Material- und Geowissenschaften |
2021 |
Dr.-Ing. Arne Scholtissek |
Maschinenbau |
2021 |
Dr.-Ing. Lin Xiang |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2020 |
Dr. Alexander Tichai |
Physik |
2020 |
Dr.-Ing. Tomislav Maric |
Mathematik |
2019 |
Dr. Martin Grimmer |
Humanwissenschaften |
Ehemalige Athene Young Investigator
Jahr |
AYI |
Fachbereich |
---|---|---|
2023 |
Professorin Dr.-Ing. Federica Ferraro |
Maschinenbau |
2022 |
Professor Dr.-Ing. Martin Adam |
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften |
2022 |
Professorin Dr.-Ing. Yvonne Späck-Leigsnering |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2021 |
Dr. Christian Janson |
Informatik |
2020 |
Professorin Dr. Miriam Oesterreich |
Humanwissenschaften |
2019 |
Dr. Pia Domschke |
Mathematik |
2019 |
Dr. Tatiana Tatarenko |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2019 |
Dr. habil. Xufei Fang |
Material- und Geowissenschaften |
2019 |
Dr. Johann Isaak |
Physik |
2018 |
Professorin Dr. Meike Saul |
Biologie |
2018 |
Dr. Joel Lynn |
Physik |
2018 |
Professor Dr. Lin Wang, Ph.D. |
Informatik |
2018 |
Dr.-Ing. Christian Hatzfeld † |
Elektro- und Informationstechnik |
2017 |
Professor Dr.-Ing. Michael Muma |
Elektro- und Informationstechnik |
2017 |
Professorin Dr. Juliane Krämer |
Informatik |
2017 |
Professor Dr. Eric Grosse |
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften |
2017 |
Professor Dr.-Ing. Philipp Beckerle |
Maschinenbau |
2017 |
Professor Dr. Arash Asadi |
Informatik |
2017 |
Dr. Philipp John |
Physik |
2017 |
Professorin Dr. Christina Birkel |
Chemie |
2017 |
Professor Dr.-Ing. Amr Rizk |
Elektrotechnik und Informationstechnik |
2017 |
Professorin Dr. Alesia A. Tietze |
Chemie |
2017 |
Professor Dr. Jurij Koruza |
Material- und Geowissenschaften |